Gesprächsrunde: Deutsch-LK (Q2) mit Frank Nonnenmacher

Gesprächsrunde: Deutsch-LK (Q2) mit Frank Nonnenmacher

Es geschieht nicht oft, dass man die Chance bekommt, den Autor einer im Deutschunterricht gelesenen Lektüre zu treffen. Doch mit dem Besuch von Frank Nonnenmacher und seiner Doppelbiografie wurde uns genau diese Chance ermöglicht.

Von Jannes Podeyn

Im Rahmen des Deutschunterrichtes las der Deutsch-LK der 12. Jahrgangsstufe im ersten Halbjahr mehrere Lektüren. Eine davon war Frank Nonnenmachers Doppelbiografie „DU hattest es besser als ICH“. Die Besonderheit während der Behandlung der Lektüre war der Vorschlag des Tutors Herr Blasche, man könne den Autor des Buches zu uns an die TSO einladen. Der Kontakt konnte über ihn hergestellt werden, da Frank Nonnenmacher der ehemalige Dozent unseres Tutors war. So kam das Treffen mit dem Didaktikprofessor, nach der gemeinsamen Beendigung des Buches im Klassenverband, am Mittwoch den 16. Januar in der 3.-5. Stunde zu Stande. Schon im Voraus hatten wir uns in Vorbereitung auf die Gesprächsstunde über das Buch einige themenbezogene offene Fragen überlegt, die wir im Laufe der drei Stunden ansprechen wollten. Bereits während der persönlichen Vorstellung Nonnenmachers wurde trotz des ernsten Themas des Buches die Intention einer lockeren Atmosphäre der Gesprächsrunde deutlich.

In der darauffolgenden inhaltlichen Einführung der Lektüre betonte Nonnenmacher, dass zu jeder Zeit von den Schülern Fragen gestellt werden können. Im Zuge dessen fasste er einleitend den Inhalt und das Thema seines Werkes kurz zusammen. Dieses erzählt von zwei Halbbrüdern, die schon früh getrennt den Lauf der deutschen Geschichte aus zwei sehr unterschiedlichen Perspektiven erleben. Während sie das Geschehen des ersten Weltkrieges noch als Kinder wahrnehmen, bekommen sie die Härte des zweiten Weltkrieges auf sehr unterschiedliche Weisen zu spüren. Der ältere Bruder Ernst wird wegen seiner kleinkriminellen Taten in ein KZ deportiert, wohingegen der jüngere Bruder Gustav als ein Frachtflieger für das NS-Regime eingesetzt wird. Nach Ende des Krieges wird auch der weitere Lebenslauf der beiden genau beschrieben, in dem Frank Nonnenmacher selbst als Kind des jüngeren Bruders eine Rolle spielt. So habe Frank, exemplarisch für viele Personen aus seiner Generation, seinen im Zweiten Weltkrieg verwickelten Vater über das Thema ausgefragt. Laut Nonnenmacher habe ihm sein Vater trotz einer allgemein herrschenden Abneigung seiner Generation vor dem Gespräch über das Thema immer Rede und Antwort gestanden.

Auch während der Gesprächszeit mit Frank Nonnenmacher und des Deutsch-Lks wurde das Thema des zweiten Weltkrieges und dessen Aufklärung über die menschenunwürdigen Verhältnisse und Strukturen der KZs des NS-Regimes Hauptgesprächspunkt. Mit welcher Willkür die Deportation in ein KZ für deutsche Bürger erfolgte, zeigte Nonnenmacher repräsentativ anhand einer ausgewählten Textstelle auf. In dieser werden Ernsts kleinkriminelle Handlungen beschrieben, die zu seiner Inhaftierung und letztendlich der Gefangenschaft im KZ führten. Laut Nonnenmacher sei bereits das Verfahren der Inhaftierung rechtswidrig gewesen, da Ernst keinen Anwalt zur Verfügung hatte und seine Taten aus heutiger Sicht zu gering für solch eine Strafe gewesen wären. Des Weiteren erläuterte Nonnenmacher, dass Ernst das Klauen nur als Mittel zum Zweck sah und es überhaupt nur wegen der von Armut geprägten Verhältnisse der damaligen Zeit soweit kommen musste. Als sogenannter „Asozialer“ muss Ernst später im KZ einen schwarzen Winkel tragen, ein Stoffdreieck dessen Farbe die Kategorie der KZ-Inhaftierten bestimmte. So wurden zum Beispiel Inhaftierte mit einem grünen Winkel von der Kriminalpolizei als „Berufsverbrecher“ deklariert. Dass in den KZs nur Juden gewesen seien, ist daher laut Nonnenmacher bis heute ein weit verbreiteter Irrtum. In der Nazi-Ideologie waren „Asoziale“ und „Berufsverbrecher“ genetisch bedingt jene und sollten daher von der Bevölkerung ferngehalten werden. Auch nach Ende der KZs wurden die Gruppen nicht als Opfer der NS-Zeit anerkannt, da weiterhin Vorurteile gegenüber diesen in der Bevölkerung bestanden. Außerdem waren Inhaftierte mit einem grünen Winkel auf Grund einer Straftat in die KZs gekommen und somit galt die Inhaftierung als „Kriminalpolitik mit anderen Mitteln“. Auf das Resultat dieser kategorischen Verleugnung will Frank Nonnenmacher aufmerksam machen: Ehemalige KZ-Inhaftierte mit einem schwarzen und grünen Winkel sind bis heute keine anerkannten Opfer der NS-Zeit.

Nach Abschließen der Fragestunde sprach Nonnenmacher mit der Klasse über seine Initiative zur Würdigung der letzten zwei nicht anerkannten Opfergruppen. So sei erst in den letzten Jahren, unter anderem durch jüngere Forschungsarbeiten, das Bewusstsein dieses Missstandes aufgekommen und der Öffentlichkeitsdruck auf die Regierung gestiegen. Und auch der Beirat der „Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas“ äußerte sich in einem „Aufruf“ vom 12. Dezember 2016 über die „längst überfälligen Erinnerungen an verdrängte Opfer des NS-Unrechts“. In einer Petition auf der Seite change.org@vergessene-opfer.de sammelt Nonnenmacher daher Unterschriften mit der Forderung an die Fraktionen der Parteien des Bundestages, „in einer gemeinsamen Entschließung die Anerkennung der ehemaligen KZ-Häftlinge mit dem schwarzen und grünen Winkel als Opfer das Nationalsozialismus auszusprechen.“
Mit der Botschaft „Niemand war zu Recht im KZ“ beendete Frank Nonnenmacher die äußerst lehrreiche Gesprächsstunde mit dem Deutsch-LK.

Quelle: Nonnenmacher, Frank: Anerkennung von „Asozialen“ und „Berufsverbrechern“ als Opfer des Nationalsozialismus, change.org@vergessene-opfer.de

Projektorganisation: Ralph Blasche